Audrey über Stock und Stein

Dass wir Retriever sowas ähnliches wie Naturburschen und -mädels sind, weiß so ziemlich jeder, schließlich wurden unsere Vorfahren ja für die Jagd gezüchtet. Querfeldein, dem Wild hinterher. Auch ich bin mit Andrea am liebsten abseits der Wanderwege unterwegs, einfach über Stock und Stein, je abenteuerlicher desto besser. Und auf jedem unserer Streifzüge entdecken wir Neues. Mal wie gestern einen herrlich schlammigen Graben, der jetzt schon nach Herbst duftet, mal ein Mauseloch, in dem eben noch ein Mäuseschwänzchen verschwunden ist, Baumstämme, an- oder auf denen ich Andrea zuliebe als Fotomodell posiere, oder trockenes Laub, das zu einem Blätterbad einlädt.

So viele Gerüche, und sie alle erzählen mir Geschichten. Ich erschnuppere im Gras, dass hier vor kurzem ein Reh vorbeispaziert ist und der strenge Geruch ein paar Meter weiter stammt ganz sicher von einem Wildschwein. Ich rieche Pilze, die jetzt überall aus dem Boden sprießen und die modrige Baumwurzel, in der viele kleine Tieren zuhause sind. Manchmal finde ich etwas, das besonders gut duftet – ein toter Vogel zum Beispiel. Und während ich mich am liebsten in dieses tolle Parfüm hineinlegen würde, wird Andrea ganz ungemütlich und lockt mich weg.

Apropos Andreas: natürlich baut sie immer kleine Trainingseinheiten ein, und weil sie das so spielerisch macht, habe ich überhaupt nichts dagegen. Sie sagt „sitz“ und entfernt sich von mir, bis sie fast zwischen den Bäumen verschwindet, und ich warte darauf, dass sie „Audrey, hier“ ruft. Dann sause ich los, nehme alle Hindernisse im Flug, freue mich auf ein Leckerli und darauf, dass sich auch Andrea freut. Das ist das Schöne daran. Wir stecken uns beide mit unserer Freude an. Eigentlich bin ich unterwegs gar nicht müde zu kriegen, erst zuhause spüre ich, dass ich ganz schön ausgepowert bin. Mein erster Gang geht zur Wasserschüssel, dann versinke ich mit einem vernehmlichen Seufzer in meinem weichen Lieblings-Körbchen und verfalle auf der Stelle in Tiefschlaf.

Von mir aus könnten wir immer draußen sein.

Bis bald,
Eure Audrey